So kamen sie auch durch das phrygische Reich, in dem zu dieser Zeit Midas herrschte. Es war heiß und so blieb der alte, wohlbeleibte Seilenos hinter den Anderen zurück und legte sich schließlich im Schatten eines Rebstockes zur Ruhe. Sein Fehlen blieb in der Gruppe unentdeckt und so kam es, daß die Bauern des Königs Midas ihn fanden.
Die Bauern erkannten Seilenos, machten sich über den Schlafenden lustig und brachten ihn schließlich zu ihrem König Midas. Jener, sehr froh darüber einen Freund von Dionysos als Gast begrüßen zu können, bewirtete ihn und geleitete Seilenos persönlich, von seinem Gefolge begleitet zurück zu Dionysos.
Dieser gewährte Midas nun als Dank einen Wunsch, den Midas ohne langes Zögern sogleich aussprach. Fortan möge alles. was er berühre zu Gold werden. Dionysos, verwundert über solch gedankenloses Handeln erfüllte dem König jedoch seinen Wunsch.
Midas zog los und testete seine Fähigkeit und fand sich schließlich zufrieden und um einiges reicher in seinem Palast wieder, voll der Freude auf ein bevorstehendes Mahl. Ernüchtert musste er nun aber feststellen, dass alles was er voller Verlangen zum Mund führen wollte nur aus Gold bestand. Selbst der Wein und das dazu gereichte Wasser verwandelte sich in seinen Händen sofort zu Gold.
Da warf er sich auf die Knie, bereute seine Habgier und bat Dionysos, er möge ihn von seiner unheimlichen Zauberkraft befreien, sonst müsse er verhungern und verdursten. Der Gott hatte Erbarmen mit Midas und sprach: "Geh zur Quelle des Paktolosflusses und tauche dein Haupt dreimal in das heilige Wasser ....". So wurde Midas von dem Zauber befreit und erhielt sein früheres Aussehen zurück. Seitdem aber findet man im Sand des Paktolos Goldkörner.
Tmolos sprach ihm den Lorbeerkranz des Siegers zu. Alle klatschten Beifall - nur Midas nicht. Er sagte - so laut, daß Apollon es hören mußte - das Urteil sei ungerecht. Da trat Apollon, unsichtbar, hinter den Kritiker und zog ihn an den Ohren, bis sie lang und spitz wie Eselsohren wurden. Graue Haarzotteln wuchsen auf ihnen und Midas konnte die Ohren wie ein Esel bewegen. Als er merkte, was ihm geschehen war, bat er jammernd um Gnade, aber Apollon erhörte ihn nicht.
Da flüchtete er voller Scham in die Wälder und bedeckte seine Schande mit einer hohen Mütze. Doch der Diener, der ihm die Haare schor, verriet das Geheimnis - auf ungewöhnliche Weise.
Da er seinem König geschworen hatte, das Geheimnis nicht zu verraten, grub er am Ufer des Flusses ein Loch in den Sand und sprach hinein: "König Midas hat Eselsohren". Dann schüttete er das Loch wieder zu.
Bald wuchs Schilf darüber. Wenn es aber der Wind bewegte, flüsterte es: "König Midas hat Eselsohren". So wußten es bald alle Leute und lachten über den bestraften Unverstand des Königs.
Tatsache aber ist: seit sich der sagenumwobene Midas die Haare im Paktolos gewaschen hatte und sein Gold aus Haupt und Haaren fortgespült hatte, war Lydien ein sagenhaftes Goldland - ein Eldorado der Antike ... und Krösus wurde sein zweiter König ....